Gallery Weekend Berlin 2023
10 Ausstellungen, die ihr nicht verpassen solltet

19. April 2023 • Text von

Unmöglich, beim Gallery Weekend Berlin alle Ausstellungen zu sehen, umso wichtiger, die Highlights im Programm zu kennen. Wir haben heiße Kunst-Tipps für euch: Bei Chert Lüdde, Barbara Weiss, Schiefe Zähne, BQ, Sprüth Magers, Société, Sweetwater, Ebensperger, Crone und Soy Capitán solltet ihr unbedingt vorbeischauen.

Monia Ben Hamouda chertluedde galleryweekend berlin gallerytalk
Monia Ben Hamouda, Installation view of “The Destruction of the Idols of Ka’ba”, La Casa Encendida, Galerna, 2023. Photo: La Casa Encendida / Galerna, 2023. Courtesy of Monia Ben Hamouda, Milan and ChertLüdde, Berlin.

Chert Lüdde: Monia Ben Hamouda

An der Umdeutung von Gewalt in Resilienz erprobt sich Monia Ben Hamouda mit ihrer Ausstellung “About Telepathy and other Violences” bei Chert Lüdde. Immer wieder taucht in ihren lasergeschnittenen Stahlblechskulpturen das Motiv der Hand auf. Es kann als Verweis auf das Steinwurfritual der Hajj bei der Pilgerfahrt nach Mekka oder auf die politische Realität im Nahen Osten gelesen werden. Zwischen Zeichen, die an islamische Kalligrafie erinnern, umgeben von verschiedenen Pulvern wie Chili, Kreuzkümmel, Curry, Henna, Kokosnusskohle, getrocknete Rote Bete und Salz finden sich Besuchende inmitten der Spuren von Ben Hamoudas ganz persönlichem schamanischen Heilungsprozesses.

WANN: Die Ausstellung “About Telepathy and other Violences” eröffnet am Freitag, den 28. April, um 18 Uhr. Sie läuft bis zum 3. Juni.
WO: ChertLüdde, Hauptstraße 18, 10827 Berlin.

Frieda Toranzo Jaeger barbara weiss galleryweekend berlin gallerytalk
Frieda Toranzo Jaeger: El poema se cayó, 2023 (detail), oil and embroidery on canvas, 90 x 60 cm. Courtesy of the artist and Galerie Barbara Weiss, Berlin.

Barbara Weiss: Frieda Toranzo Jaeger

Bestickt und in den Raum gebaut präsentiert Frieda Toranzo Jaeger ihre Ölgemälde mit performativem Gestus. Ein bisschen Handwerkliches für die Hochkultur, ein bisschen Tradition, ein bisschen Innovation, vielleicht ein bisschen Irritation. Toranzo Jaeger inszeniert opulente Szenerien zwischen Utopie und Katastrophe. Ob das nun ein Auflehnen gegen oder ein Einschreiben in den kunsthistorischen Kanon ist? Womöglich beides zugleich. Für die Ausstellung “Heart Core” in der Galerie Barbara Weiss hat Toranzo Jaeger ein neues Werk aus 30 Leinwänden zusammengesetzt. Die komplexe Installation gebietet die Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven.

WANN: Die Ausstellung “Heart Core” eröffnet am Freitag, den 28. April, um 18 Uhr. Ausstellungsende ist am 3. Juni.
WO: Galerie Barbara Weiss, Kohlfurter Str. 41/43, 10999 Berlin.

leyla yenirce schiefe zaehne alexandra bircken bq galleryweekend berlin gallerytalk
Leyla Yenirce, GRL8and, 2021 (Detail), Courtesy the artists and Capitain Petzel, Berlin, Photo: Gunter Lepkowski. // Alexandra Bircken: Digitale Collage, 2023. Courtesy BQ, Berlin and the artist. Foto: BQ, Berlin.

Schiefe Zähne: Leyla Yenirce

Wer blendet, wird unsichtbar. Jedenfalls kann man es versuchen. Kurdische Kämpfer*innen nutzen die Reflektion der Sonne, um von Kameras unentdeckt zu bleiben. Auf diese Praxis bezieht sich Leyla Yenirce mit “Splitter”. Die Videoarbeit zeigt eine junge Frau, die bedacht mit einer Glasscherbe die eigene Sichtbarkeit choreografiert. Neben dem titelgebenden Werk der Ausstellung sind bei Schiefe Zähne außerdem Leinwardarbeiten zu sehen, auf denen unter Farbschichten Fotos militärischer Szenerien zu erkennen sind.

WANN: Die Ausstellung “Splitter” eröffnet am Donnerstag, den 27. April. Sie läuft bis Samstag, den 27. Mai.
WO: Schiefe Zähne, Schliemannstraße 37, 10437 Berlin.

BQ: Alexandra Bircken

Amputieren, transplantieren, abtragen – Alexandra Bircken versteht sich auf chirurgische Eingriffe am unbelebten Objekt. Abgeschmirgelt wird etwa ein Motorradtank zum Torso. Ihre Ausstellung “Musterung” bei BQ vereint Einzelstücke, die Prototypen sein könnten, Muster die zur Tarnung taugen und menschlich-maschinelle Automatik, die die Wiederholungsmechanik kreisender Gedanken als Pattern fixiert.

WANN: Die Ausstellung “Musterung” eröffnet am Freitag, den 28. April, um 18 Uhr. Sie läuft bis zum 1. Juli.
WO: BQ, Weydingerstraße 10, 10178 Berlin.

Cao Fei Sprueth magers galleryweekend berlin gallerytalk
Cao Fei: MatryoshkaVerse, 2022. Double Channel HD video, 16:4.5, color with sound, 37min 38sec © Cao Fei, 2023. Courtesy the artist, Vitamin Creative Space and Sprüth Magers.

Sprüth Magers: Cao Fei

In der Grenzstadt Manjur im Autonomen Gebiet Innere Mongolei der Volksrepublik China verschmelzen chinesische und russische Einflüsse. Cao Fei nutzt sie als Kulisse der Videoarbeit “MatryoshkaVerse”, in der hybride kulturelle Identität als verbindendes statt als trennendes Element erscheinen darf. In der Ausstellung “Duotopia” bei Sprüth Magers sind neben dieser Arbeit einige weitere zum ersten Mal außerhalb von China zu sehen.

WANN: Die Ausstellung “Duotopia” eröffnet am Freitag, den 28. April, um 18 Uhr. Sie läuft bis zum 19. August.
WO: Sprüth Magers, Oranienburger Str. 18, 10178 Berlin.

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Timur Si-Qin, Natural Origin, opening on April 28, 2023 and running till May 26, 2023. Courtesy the artist and Société, Berlin. // Rhea Dillon, Two Tears in/to Home, 2022. Oil on canvas. 18 x 12 in (45.7 x 30.5 cm). Courtesy of the artist and Sweetwater, Berlin.

Société: Timur Si-Qin

Selten verschmelzen Natur und Technologie visuell so glatt wie in der Arbeit von Timur Si-Qin. Vor seinen anziehend unaufgeregten Landschaftssimulationen lässt es sich andächtig verweilen wie vor Werbetafeln: fasziniert und ohne überbordene Ehrfurcht. Wenn die Zukunft so grün ist, na bitte. Wenn “New Peace” konventionelle Glaubensgemeinschaften ersetzen soll, okay. Der Ausstellungstitel “Natural Origin” verspricht, dass Si-Qin bei Société nicht abrücken wird von der Idee von Kultur und Technologie als natürlichem Material.

WANN: Die Ausstellung “Natural Origin” von Timur Si-Qin eröffnet am 28. April. Sie läuft bis zum 26. Mai.
WO: Société, Wielandstraße 26, 10707 Berlin.

Sweetwater: Rhea Dillon

Pecola wünscht sich blaue Augen – als könnten sie alle Probleme ihrer Familie lösen. Pecola ist Schwarz, sie lebt in den 1940er Jahren in den USA. Sie ist die Hauptfigur in Toni Morrisons Romandebüt “The Bluest Eye”. Das Werk zitiert Rhea Dillon im Titel ihrer Ausstellung bei Sweetwater: “We looked for eyes creased with concern, but saw only veils”, heißt es da. Dillon ist Künstlerin, Schriftstellerin und Lyrikerin. Die Figuren aus Morrisons Roman waren ihr Inspiration für Malerei, Skulptur und Installation.

WANN: Die Ausstellung “We looked for eyes creased with concern, but saw only veils” von Rhea Dillon eröffnet am Mittwoch, den 26. April, von 17 bis 20 Uhr. Sie läuft bis zum 10. Juni.
WO: Sweetwater, Leipziger Str. 56-58, 10117 Berlin.

Bjorn melhus ebensperger galleryweekend berlin gallerytalk
Bjørn Melhus, GATEKEEPERS, 2023 (production photo). Courtesy of the artist.

Ebensperger: Bjørn Melhus

Den Sound des Unheils kannst du muten – “dramatic music continues”, im Untertitel abgeschwächt bedrohlich. Bei Ebensberger vereint Bjørn Melhus‘ Ausstellung unter diesem Titel verschiedene Arbeiten aus den vergangenen drei Jahren, oft angesiedelt um den Kipppunkt von Dystopie in Utopie. Es ist die letzte Schau der Galerie im ehemaligen Krematorium Wedding, insofern markiert ihr Titel ganz passend einen Übergang. Der vollzieht sich unter den Augen der “Gatekeepers”. Melhus’ fiktionale Wachpersonen haben den Wandel im Blick.

WANN: Die Ausstellung “[dramatic music continues]” eröffnet am Freitag, den 28. April. Sie läuft bis zum 17. Juni.
WO: Ebensperger, Plantagenstraße 30, 13347 Berlin.

Anahita Razmi, No National Flag Uses a Gradient #1 – 8”, 2022, Installationsansicht
Anahita Razmi: No National Flag Uses a Gradient #1 – 8”, 2022. 8 Polyester Flaggen, je 91,5 x 152,5 cm. Installationsansicht. Courtesy: Anahita Razmi and Carbon 12 Gallery, Dubai.

Crone: “Simurg”

Der Berg Küh-e-Qāf ist Hort der Weisheit und Heimat des prächtigen Vogels Simurg, ein Fabelwesen der persischen Mythologie, ausgestattet mit übernatürlichen Kräften. Der Legende nach brachen einst ettliche Vögel auf, den Simurg um Rat zu bitten. Nur 30 der Vögel gelang die strapazenreiche Reise. Jeder einzelne steht für ein charakterliches Hindernis auf dem Weg zur Selbsterkenntnis. Die Geschichte dient der Ausstellung “Simurg. Zehn Künstlerinnen aus Iran.” bei Crone als Sinnbild für das Leben von Iraner*innen in der Diaspora sowie der aktuellen Lage im Iran. Gezeigt werden Arbeiten iranischer Künstlerinnen, die im Ausland leben, darunter Yalda Afsah, Anahita Razmi und Nooshin Farhid.

WANN: Die Ausstellung “Simurg. Zehn Künstlerinnen aus Iran.” eröffnet am Freitag, den 28. April. Sie läuft bis zum 17. Juni.
WO: Crone, Fasanenstraße 29, 10719 Berlin.

Paloma Proudfoot Soy Capitan galleryweekend berlin gallerytalk
Paloma Proudfoot, The Three Living and The Three Dead (detail), 2022, Photo by Ivo Faber, Courtesy of the Artist and Soy Capitán, Berlin.

Soy Capitán: Paloma Proudfoot

Der Tod kommt als Skelett geritten, auf seinem Knochenpferd prescht er durch die Menschenmenge, die Hand zum Gruß gereckt, der moralische Zeigefinger ist nicht ausgefahren und doch gegenwärtig. Mittelalterliche Darstellungen der Auseinandersetzung mit menschlicher Sterblichkeit dienten Paloma Proudfoot als Inspiration für ihrer Keramikarbeit “The Three Living and The Three Dead”. Titelgebend für ihre Ausstellung bei Soy Capitán war die Geschichte dreier Adeliger, die von drei verwesenden Leichnamen Geistlicher über die Bedeutung materieller Güter im Jenseits belehrt wurden. Proudfoot hat sich von christlicher Morallehre befreit und eine Bildsprache der Verbundenheit zwischen Lebenden und Toten entwickelt, in der Gefühl und Körper, Erinnerung und Materie, Wurzeln und Identität verschmelzen.

WANN: Die Ausstellung “The Three Living and The Three Dead” eröffnet am Freitag, den 28. April, um 18 Uhr. Sie läuft bis zum 10. Juni.
WO: Soy Capitán, Prinzessinnenstraße 29, 10969 Berlin.

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